Die Medical Device Regulation (kurz: MDR) ist als Medizinprodukteverordnung der Europäischen Union für alle Hersteller von Medizinprodukten verpflichtend. Doch was bedeutet das genau? Das erfahren Sie hier.
Mit der Einführung der MDR erfährt die Medizinindustrie einen tiefgreifenden Wandel, der vor allem Hersteller von Medizinprodukten betrifft. Die Verordnung (EU) 2017/745 löst bestehende Richtlinien ab und verfolgt dabei das Ziel, Medizinprodukte über ihren gesamten Lebenszyklus noch sicherer zu machen. Welche Veränderungen das im Detail mit sich bringt, erfahren Sie im folgenden Absatz.
Insgesamt steht die MDR der EU für eine umfassende Modernisierung und Verschärfung der Vorschriften für Medizinprodukte. So sollen Sicherheit, Qualität und Transparenz in diesem Bereich gesteigert werden. Hersteller, Distributoren und andere Beteiligte müssen sich also auf höhere Anforderungen einstellen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Definitionen im Bereich der Medizinprodukte und aktiven implantierbaren medizinischen Geräte werden erheblich erweitert und umfassen nun beispielsweise auch Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung wie farbige Kontaktlinsen sowie Implantate und Stoffe für ästhetische Zwecke. Die Experten gehen davon aus, dass auch Geräte zur Vorhersage und Prognose des Krankheitsrisikos unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen werden.
Die Hersteller von Medizinprodukten müssen in ihrer Organisation mindestens eine Person benennen, die dafür zuständig ist, dass die Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung erfüllt werden. Die Organisation muss die spezifischen Qualifikationen dieser Person im Hinblick auf die geforderten Aufgaben nachweisen. Für sogenannte Klein- und Kleinstunternehmen gelten unter Umständen geringere Anforderungen.
Der Vorschlag für die Verordnung über Medizinprodukte fordert ein System der einmaligen Produktkennung (Unique Device Identification, kurz: UDI). Diese Anforderung soll die Rückverfolgbarkeit bestimmter Produkte in der Lieferkette für Hersteller und Behörden vereinfachen und so den schnellen und effizienten Rückruf von Medizinprodukten, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, ermöglichen. Ferner soll die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) vergrößert und so der Zugang zu Informationen über zertifizierte Medizinprodukte erleichtert werden.
Notiz: Die Einführung der gesamten Module von EUDAMED wurde verschoben, wobei teilweise Module wie die Registrierung der Wirtschaftsakteure bereits freigeschaltet wurden.
Die neue Medizinprodukteverordnung erweitert die Befugnisse der Benannten Stellen bezüglich der klinischen Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Unangekündigte Audits, Stichproben- und Produktprüfungen stärken das Durchführungsverfahren der EU und tragen dazu bei, das Risiko, das von unsicheren Medizinprodukten ausgeht, zu verringern. Bei definierten Produktegruppen müssen die Hersteller jährlich Berichte über die Sicherheit und Leistung ihrer Produkte einreichen.
Die MDR möchte das Regelungsinstrument der „Gemeinsamen Spezifikationen“ einführen, dass es der EU-Kommission ermöglicht, gemeinsame Spezifikationen zu veröffentlichen, die dann sowohl für die Hersteller als auch für die Benannten Stellen gelten. Diese gemeinsamen Spezifikationen gelten parallel zu den eventuell vorhandenen harmonisierten Normen.
Laut der neuen MDR müssen Hersteller die neuen Klassifizierungsregeln prüfen und ihre Technische Dokumentation entsprechend aktualisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für Medizinprodukte der Klasse III und implantierbare Produkte strengere klinische Anforderungen gelten. Diese Medizinprodukte unterliegen daher einem Mechanismus zur Kontrolle der Konformitätsbewertungen (Scrutiny-Prozess).
Hersteller, die nicht über ausreichende klinische Nachweise verfügen, um die geforderte Sicherheit und Leistung eines bestimmten Produkts zu belegen, sind verpflichtet, klinische Prüfungen durchzuführen. Außerdem müssen die Hersteller zur laufenden Bewertung potenzieller Sicherheitsrisiken klinische Daten sammeln und aufbewahren.
Die MDR konkretisiert und verschärft die Anforderungen an klinische Bewertungen. Dies hat zur Folge, dass bestehende Bewertungen in der Regel überarbeitet werden müssen.
Laut der MDR müssen alle derzeit nach MDD/AIMDD zertifizierten Medizinprodukte (sogenannte Bestandsprodukte) erneut nach den neuen Anforderungen der MDR geprüft zertifiziert werden.
Die Definition von Medizinprodukten und aktiven implantierbaren medizinischen Produkten wurde in der Medical Device Regulation (MDR) erweitert. Das bedeutet für Hersteller: Mehr Produkte als bisher fallen unter die Verordnung. So schließt sie jetzt auch Produkte ein, die keinem medizinischen Zweck dienen – wie farbige Kontaktlinsen oder Implantate und Materialien, die für ästhetische Anwendungen zum Einsatz kommen. Experten gehen außerdem davon aus, dass künftig auch Geräte unter die Medizinprodukteverordnung fallen werden, die der Prognose des individuellen Krankheitsrisikos dienen.
Weitere Beispiele für Medizinprodukte nach MDR
• Chirurgische Instrumente: Skalpelle, Pinzetten, Scheren
• Diagnostische Geräte: Blutdruckmessgeräte, Röntgengeräte, Ultraschallgeräte
• Implantate: Künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher, Zahnimplantate
• Software für medizinische Zwecke: Bildgebungssoftware, elektronische Patientenakten
• Verbandmittel: Wundverbände, Kompressionsstrümpfe, Pflaster
• Hilfsmittel: Rollstühle, Hörgeräte, Prothesen
Beispiele für Produkte, die nach MDR nicht als Medizinprodukt gelten
• Medikamente
• Wellness- und Fitness-Produkte
• Informationssysteme zur Dokumentation in Krankenhäusern
Laut der MDR müssen nicht nur neue Produkte, sondern auch alle Bestandsprodukte nach den neuen Anforderungen geprüft und zertifiziert werden. Es gibt also keinen Bestandsschutz für Produkte, die unter den vorher geltenden Direktiven zertifiziert wurden. Die Übergangsfristen der europäischen Medizinprodukteverordnung laufen dabei nicht wie ursprünglich geplant 2024 aus, sondern wurden deutlich verlängert. Je nach Produktklasse gelten dabei unterschiedliche Fristen.
Aktuell gelten diese Fristen
Für Medizinprodukte der Klasse I gibt es keine Übergangsfrist, da für sie kein MDR-Zertifikat von einer Benannten Stelle benötigt wird.
➥ Erfahren Sie mehr zu den Übergangsfristen in unserem Podcast "Normen Checker"
Sofern die Gültigkeit des Zertifikats vor dem 20.03.2023 abgelaufen ist, gelten besondere Bedingungen nach Art. 120 Abs. 2 MDR. Das kann dazu führen, dass die vertragliche Vereinbarung mit TÜV SÜD spätestens zum jeweiligen Ablaufdatum des Zertifikats abgeschlossen werden muss.
Hersteller von Bestandsprodukten erhalten eine Bestätigung, die als offizieller Nachweis dient und ihnen erlaubt, ihre Bestandsprodukte weiter in Verkehr zu bringen. Am besten starten Sie noch heute und füllen Ihren Antrag auf ein Konformitätsbewertungsverfahren für Medizinprodukte bei TÜV SÜD aus.
Jetzt MDR-Antrag auf Registrierung (engl.) stellen
Die Medical Device Regulation legt eine Vielzahl von Anforderungen für die Hersteller von Medizinprodukten fest, um die Sicherheit, Qualität und Leistung dieser Produkte zu gewährleisten.
Hier sind einige der wichtigsten Anforderungen nach der MDR
Hersteller von Medizinprodukten müssen in ihrem Unternehmen mindestens eine Person benennen, die für die Einhaltung der Anforderungen der neuen Medizinprodukteverordnung zuständig ist. Diese Person muss nachweislich über spezifische Qualifikationen verfügen. Für sog. Klein- und Kleinstunternehmen gelten unter Umständen geringere Anforderungen.
Die Hersteller müssen eine umfassende klinische Bewertung ihrer Medizinprodukte durchführen, um deren Sicherheit und Leistung nachzuweisen.
Zudem ist eine detaillierte Technische Dokumentation erforderlich, die alle relevanten Informationen über das Design, die Herstellung und die Leistung des Medizinprodukts enthält.
Vor der Inverkehrbringung müssen Hersteller eine Konformitätsbewertung durchführen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte den Anforderungen der MDR entsprechen.
Hersteller müssen ein wirksames Qualitätsmanagementsystem nach EN ISO 13485 oder ein gleichwertiges System implementieren.
Eine umfassende Risikobewertung und ein zuverlässiger Risikomanagementprozess sind erforderlich, um potenzielle Risiken für Patienten, Anwender und andere Beteiligte zu identifizieren und zu minimieren.
Hersteller müssen ein aktives System für die Überwachung von Medizinprodukten nach dem Inverkehrbringen etablieren, um unerwünschte Ereignisse zu erfassen und angemessen zu reagieren.
Die eindeutige Kennzeichnung von Medizinprodukten mit einer einmaligen Produktkennung (Unique Device Identification, kurz: UDI) zur besseren Rückverfolgbarkeit wird verpflichtend. Die UDI vereinfacht die Rückverfolgung in der Lieferkette für Hersteller und Behörden und ermöglicht – falls nötig – so den schnellen und effizienten Rückruf von Medizinprodukten.
Hersteller müssen schwerwiegende Vorkommnisse unverzüglich den zuständigen Behörden melden.
Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass Medizinprodukte höchsten Standards entsprechen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und das Vertrauen in den Medizinproduktemarkt zu stärken.
Tipp: Mehr zu den gestiegenen Anforderungen und wie Sie diese erfolgreich umsetzen, finden Sie in unserem Artikel "Von der MDD zur MDR". Um Ihr Wissen zur Medizinprodukteverordnung zu vertiefen, empfehlen wir außerdem unsere MDR-Schulung.
TÜV SÜD bietet als eine der ersten Benannten Stellen weltweit für die MDR umfassende Expertise und Ressourcen. Wir haben rechtzeitig die nötigen Kapazitäten geschaffen und stehen unseren Kunden für MDR-Zertifizierungen neuer und bestehender Produkte zur Verfügung. Dabei hilft unser globales Netzwerk von über 1.000 Medizintechnikexperten.
Aufgrund der komplexen Entwicklungsprozesse von Medizinprodukten und der umfassenden Änderungen durch die Medical Device Regulation ist es wichtig, dass sich Hersteller von Medizinprodukten schnellstmöglich um die Umstellung kümmern. Setzen Sie sich deshalb zeitnah mit einer Benannten Stelle in Verbindung, um die MDR-Zertifizierung in die Wege zu leiten.
Herausforderung MDR: Strategien für kleine und mittelständische Medizinproduktehersteller (KMU)
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