Ihr Wegweiser für Sicherheits- und Veranstaltungsneuigkeiten
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Die künftige Entwicklung des Schienenverkehrs wird durch die steigende Nachfrage nach Fahrgast- und Frachtkapazitäten sowie durch die rasche globale Urbanisierung und Digitalisierung bestimmt. Während innovative Technologien positive Auswirkungen haben, muss sich die Eisenbahnindustrie den damit verbundenen Herausforderungen und Komplexitäten stellen, während gleichzeitig geeignete neue Prüfverfahren entwickelt werden müssen.
Bevor neue Schienenfahrzeuge für den Betrieb zugelassen werden können, müssen sie gemäß den verbindlichen Vorschriften einer Typenprüfung unterzogen werden. Dynamische Fahrversuche, die von externen Prüfstellen durchgeführt und von unabhängigen Inspektionsstellen bewertet werden, sind daher ein unverzichtbarer Bestandteil des Zulassungsverfahrens. Hersteller und Betreiber können dann sicher sein, dass die Züge sicher fahren, die Gleise nicht beschädigen und bei Geschwindigkeiten bis zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit sicher bleiben.
Die gute Nachricht für die Bahnindustrie ist, dass Normen wie die EN 14363:2022 vorsehen, dass die aus der Simulation gewonnenen Daten einige herkömmliche Messdaten ersetzen können. Dadurch kann die Dauer der kostenintensiven Tests auf der Strecke verkürzt werden, mit denen sichergestellt werden soll, dass der Zug nicht entgleist, Verschiebungen oder andere Überlastungen des Gleises verursacht. Mit Hilfe von Simulationen kann daher sichergestellt werden, dass die Fahrdynamik bereits in einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses optimiert wird, was sowohl Zeit als auch Kosten spart.
Bei der Fahrzeugprüfung müssen die für die Tests benötigten Streckenabschnitte des Schienennetzbetreibers frühzeitig ausgewählt und bewertet werden. Eine ideale Teststrecke umfasst sowohl gerade Abschnitte als auch zahlreiche Kurven mit unterschiedlichen Radien, wobei die genauen Eigenschaften und die Mindestlänge von den Zulassungsparametern des Schienenfahrzeugs abhängen.
Die betriebliche Abwicklung der Erprobung eines norwegischen Hochgeschwindigkeitszuges wurde vom Münchner Spezialisten für Bahntestfahrten RailAdventure durchgeführt. Dieser sehr spezielle Test ist ein Beispiel dafür, dass die Eigenschaften und die Mindestlänge einer Teststrecke von den Zulassungsparametern des zu testenden Schienenfahrzeugs abhängen.
In diesem Fall musste der Zug für eine Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h zugelassen werden, was bedeutet, dass er Kurven mit Radien von weniger als 3.000 Metern mit einer Geschwindigkeit von etwa 270 km/h durchfahren musste. Obwohl eine geeignete Strecke in Deutschland gefunden wurde, deren Kurvenradien den einschlägigen Normen entsprachen, ist das Oberleitungssystem nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h zugelassen. Hohe Geschwindigkeiten können die Kontaktkraft des Stromabnehmers und den Anhub des Fahrdrahtes erheblich beeinflussen, wobei ein übermäßiger Anstieg des Fahrdrahtanhub die Oberleitung beschädigen kann. Erschwerend kam hinzu, dass der norwegische Zug die deutsche Fahrzeugbegrenzungslinie überschritt, eine schmalere Stromabnehmerwippe hatte und nicht über eine mit deutschen Signalsystemen kompatible Zugsicherungsausrüstung an Bord verfügte. Damit die Testfahrten stattfinden konnten, entwickelte RailAdventure in enger Zusammenarbeit mit dem TÜV SÜD und dem Schienennetzbetreiber ein Konzept, mit dem die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sicher nachgewiesen werden konnte.
In einem ersten Schritt führten die Prüfexperten von TÜV SÜD Simulationsanalysen durch, um die Wechselwirkung zwischen Stromabnehmer und Oberleitung zu bewerten. Auf Basis der Ergebnisse wurde ein umfassendes Sicherheitskonzept für diese Sonderprüfung entwickelt und mit dem Netzbetreiber abgestimmt. Nachdem grünes Licht für die Prüfung auf der Strecke gegeben worden war, musste sichergestellt werden, dass der Anhub des Fahrdrahtes innerhalb tolerierbarer Grenzen bleibt. Da der Fahrdrahtanhub durch stationäre Messungen an einigen wenigen Punkten entlang der Strecke ermittelt wird, mussten die ausgewählten Punkte repräsentativ für die gesamte Strecke sein. Die Experten nutzten daher die Daten eines Oberleitungsmessfahrzeugs, das regelmäßig die gesamte Strecke inspiziert, um daraus den kritischsten Stützpunkt für eine Fahrdrahtanhubmessung zu ermitteln. Anschließend optimierten die Experten den Stromabnehmer so, dass die bei 270 km/h auftretenden Kräfte identisch mit denen im regulären Betrieb bei 230 km/h sind.
Damit wurde das Verhalten des Stromabnehmers so optimiert, dass der Fahrdrahtanhub auch an der kritischsten Stelle der Strecke innerhalb der zulässigen Grenzen blieb. Als weitere Sicherheitsmaßnahme wurden die Testfahrten in Einzeltraktion mit einem einzigen Stromabnehmer durchgeführt, wodurch die Wellenbewegung des Fahrdrahtes minimiert wurde.
Die Fahrversuche wurden dann auf der ausgewählten Strecke durchgeführt. Nach anfänglichen Fahrten mit der auf der Strecke zulässigen Höchstgeschwindigkeit (230 km/h) steigerten die Testexperten die Geschwindigkeit schrittweise bis zur Höchstgeschwindigkeit des Zuges von 270 km/h, wobei die Messwerte an den Kontaktstellen von Schleifleiste und Oberleitung genau beobachtet wurden.
Die Messwerte ergaben, dass bei niedrigeren Geschwindigkeiten die in den Normen festgelegten Mindestwerte für die Kontaktkraft unterschritten wurden. Dies war jedoch notwendig und für diese ganz spezielle Anwendung vorgesehen um die hohen Fahrgeschwindigkeiten sicher realisieren zu können. So wurden die normalen Betriebseinstellungen des Stromabnehmers im Anschluss an diese speziellen Prüfungen nachjustiert, um die Einhaltung aller zulassungsrelevanten Grenzwerte zu gewährleisten.
Im Ergebnis konnten alle geforderten Fahrversuche erfolgreich durchgeführt werden, ohne dass der Stromabnehmer, die Oberleitung oder die Strecke selbst übermäßig belastet oder beschädigt wurden. Trotz anfänglicher Erkenntnisse zu Beginn des Testprogramms, dass keine geeignete Teststrecke gefunden werden konnte, wurde der norwegische Zug erfolgreich zugelassen.
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