Medizinprodukte benötigen generell, d. h. unabhängig von ihrer Klassifizierung, eine klinische Bewertung. Die klinische Bewertung dient der kritischen Bewertung von klinischen Daten zum Nachweis der Sicherheit und Leistungsfähigkeit sowie eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Medizinprodukts.
Klinische Daten sind im Wesentlichen die Sicherheits- und Leistungsangaben, die aus der Verwendung eines Medizinprodukts hervorgehen. Sie sind als Nachweis der Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines Medizinprodukts vorzulegen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, klinische Daten zu generieren:
Entweder werden klinische Daten durch klinische Prüfungen, die mit dem Medizinprodukt durchgeführt werden, erhoben oder der Nachweis der Sicherheit und Leistungsfähigkeit erfolgt anhand von Daten, die in der Fachliteratur oder für vergleichbare Produkte publiziert wurden und öffentlich zugänglich sind. In diesem Fall ist es erforderlich, Vergleichbarkeit bzw. Äquivalenz tatsächlich nachzuweisen, z. B. im Rahmen vergleichender Labortests und/oder präklinischer Studien.
Bevor ein Medizinprodukt auf den Markt gebracht werden darf, sind - sofern zutreffend - beide Verfahren, d. h. die klinische Prüfung und die klinische Bewertung, mittels Fachliteratur durchzuführen, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Medizinprodukts in der klinischen Anwendung zu belegen.
Bei PMCF (Post-Market Clinical Follow-up)-Studien handelt es sich um Studien, die im Rahmen der klinischen Überwachung nach Marktzulassung eines Medizinprodukts zusätzlich durchgeführt werden müssen. Klinische Daten, die im Rahmen einer PMCF-Studie erhoben werden, dienen nur der Bestätigung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit und können nur den bereits zugelassenen Geltungs- und Anwendungsbereich, z. B. hinsichtlich des bestimmungsgemäßen Gebrauchs und der Indikation eines Produkts, umfassen. Des Weiteren dienen PMCF-Studien auch zur Erfassung seltener Komplikationen und/oder Probleme, die evtl. erst nach weit verbreiteter, längerer Anwendung eines Produkts zutage treten.
Die klinische Prüfung von Medizinprodukten ist eine systematische, am Menschen durchgeführte Untersuchung zur Bewertung der Sicherheit und/oder Leistungsfähigkeit eines Medizinprodukts.
Klinische Prüfungen sind in Einklang mit der EN ISO 14155 (GCP), der Deklaration von Helsinki und den nationalen Vorschriften durchzuführen.
Die klinische Bewertung kann sich auf folgende Quellen stützen:
Da ein neues Medizinprodukt nicht die Summe jener Teile ist, die gleichartig mit Teilen anderer, bereits zugelassener Medizinprodukte sind, ist der Nachweis der Vergleichbarkeit beider Produkte für den Nachweis der klinischen Sicherheit und Leistung eines Medizinprodukts äußerst wichtig. Der Nachweis der Gleichartigkeit bzw. Äquivalenz zweier Produkte ist durch Labortests und In-vivo-Tierversuchen/präklinischen Studien zu erbringen. Sofern der Nachweis durch solche präklinischen Labor- und/oder Tierversuche erbracht werden soll, ist die Übertragbarkeit der so erhobenen Daten auf den Menschen wissenschaftlich zu begründen.
Anhang 1.I.5a der Richtlinie 90/385/EWG (AIMDD) und Anhang I.I.6a der Richtlinie 93/42/EWG (MDD) fordern zum Nachweis, dass ein Medizinprodukt die klinischen Anforderungen erfüllt, eine klinische Bewertung gemäß Anhang 7/Anhang X der jeweiligen Richtlinie. Man geht ferner davon aus, dass die EU-Mitgliedsstaaten die Leitlinie "MEDDEV 2.7.1 Revision 3 – Klinische Bewertung" befolgen werden. Diese Leitlinie wurde von der EU als praktische Hilfe zur Umsetzung der EU-Richtlinien für Medizinprodukte herausgeben, ist aber rechtlich nicht verbindlich.
PMCF-Studien, d. h. Studien zur klinischen Überwachung nach Inverkehrbringen, werden nach der CE-Kennzeichnung eines Medizinprodukts durchgeführt und sollen Antworten auf spezifische Fragen zur klinischen Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines Produkts bei sachgemäßer Anwendung liefern.
PMCF-Studien sind notwendig, wenn seltene Komplikationen oder Probleme erst nach weit verbreiteter, längerer Anwendung eines Produkts zutage treten. Außerdem unterliegen die klinischen Daten, die vor Inverkehrbringen eines Produkts zur Verfügung stehen, möglicherweise gewissen Beschränkungen, wie z. B. einer begrenzten Stichprobengröße, einer kurzen Prüfdauer und heterogenen Stichprobengruppen. Die in PMCF-Studien gewonnenen Erkenntnisse ersetzen daher nicht die Daten, die vor Inverkehrbringen des Produkts zum Nachweis der Konformität mit den regulatorischen Anforderungen gewonnen werden, sondern ergänzen sie.
PMCF-Studien werden vor allem dann durchgeführt, wenn festgestellt wurde, dass ein gewisses Restrisiko verbleibt bzw. dass die langfristige Leistungsfähigkeit des Medizinprodukts in der klinischen Anwendung, die sich auf das Nutzen/Risiko-Verhältnis auswirkt, nicht ausreichend geklärt ist.
PMCF-Studien sind für folgende Medizinprodukte verpflichtend:
Die Leitlinie "MEDDEV 2.12-2 Revision 2 – Post-Market Clinical Follow-up Studies" gehört zu einer Reihe von Leitlinien, die von der EU als praktische Hilfe zur Umsetzung der EU-Richtlinien für Medizinprodukte herausgegeben wurde. Man geht davon aus, dass die EU-Mitgliedsstaaten diese Leitlinien befolgen werden, obwohl sie rechtlich nicht verbindlich sind.
Die Leitlinie vertritt die Positionen der Vertreter interessierter Stellen im Medizinproduktesektor und dient Herstellern und Benannten Stellen als Leitfaden für die Durchführung von PMCF-Studien zur Erfüllung der in der Medizinprodukterichtlinie (MDD) geforderten Marktaufsicht.