1960 - 2010
1960 - 2010
Schon in den 1960er-Jahren gibt es erste Ansätze für eine Ausweitung des Geschäftes über die deutschen und europäischen Grenzen hinaus.
Regel- mäßig werden TÜV-Sachverständige ins Ausland gerufen, um bei der Aufklärung technischer Defekte zu helfen – besonders dann, wenn die betroffenen Anlagen von deutschen Unternehmen geliefert wurden.
So brechen Mitarbeiter des TÜV Bayern 1964 nach Südafrika auf, um einen Unfall an einer Personen-Seil- schwebebahn zu untersuchen.
Die Sach- verständigen des TÜV Baden reisen in dieser Zeit regelmäßig nach Frankreich, um dort Mustergutachten für Fahrzeuge zu erstellen, die zum Import in die Bundesrepublik vorgesehen sind.
Während die TÜV mit staatsentlastenden Tätigkeiten wie der Kfz-Prüfung und der gutachterlichen Betreuung von Industrieanlagen im Fokus der Öffentlichkeit stehen, bleiben sie als Akteure in der Privatwirtschaft häufig noch unsichtbar.
Dennoch stellt TÜV Bayern Ende der 1960er-Jahre erstmals die Weichen für Geschäftsmodelle im freien Wettbewerb, was heute typisch ist für TÜV SÜD: 1969 kauft der Verein die Elektroberatung Bayern GmbH (EBB), die als Beratungsstelle für die Elektrifizierung der bayerischen Landwirtschaft bereits 1926 entstanden ist.
Mit der Akquisition wird erstmals ein deutscher TÜV über eine Tochtergesellschaft im freien Wettbewerb tätig.
Insgesamt acht der elf in der Bundesrepublik tätigen Technischen Überwachungsvereine schließen sich 1972 zur Tarifgemeinschaft TÜV e.V. zusammen. Mit von der Partie ist anfangs auch TÜV Bayern.
Doch als im August 1973 ein erster, maßgeblich von der Gewerkschaft ÖTV verhandelter Tarifvertrag vorgestellt wird, sprechen sich rund 75 Prozent der Mitarbeiter des damaligen TÜV Bayern gegen die Annahme aus.
Im Oktober 1973 gründen daraufhin elf Mitarbeiter in München-Unterhaching den Interessenverband „Bedienstete in der Technischen Überwachung (btü)“.
Eine Skibindung ist ein sensibles Produkt. Fehler in der Konstruktion oder Fertigungsmängel können fatale Unfälle nach sich ziehen. Doch wie kann Verbrauchern Orientierung gegeben werden, wenn eine belastbare Qualitätsprüfung ein Messlabor und fundierte sportmedizinische Kenntnisse voraus- setzt?
Diese Frage stellen sich findige Mitarbeiter des TÜV Bayern, die sich „Sicherheit für den Verbraucher“ auf die Fahne geschrieben haben. Beim Bundesministerium für Arbeit entsteht die Idee eines allgemein anerkannten Siegels für „Geprüfte Sicherheit“ (GS-Zeichen).
Das Konzept ist nicht neu, doch bisher waren alle Versuche, flächendeckende Prüfsiegel zu etablieren, an mangelnder Abstimmung zwischen Industrie, Verbänden, Prüfinstituten und Politik gescheitert.
Dieses Mal jedoch ist die Initiative erfolgreich: Im Winter 1977/78 findet das GS-Zeichen seinen Weg auf hunderttausende Skier in bundesdeutschen Geschäften. Bald ist es bei den Verbrauchern fast genau- so bekannt wie die „TÜV-Plakette“ für Kraftfahrzeuge.
1979 beschließen die Technischen Überwachungsvereine Baden, Bayern, Saarland und Stuttgart, eine TÜV Mitarbeiterschule SÜD zu gründen.
Nachdem diese am 1. Januar 1980 ihre Arbeit aufgenommen hat, zeigt sich schnell, dass die Aus- und Weiterbildung auf einer einheitlichen Basis viele Vorteile hat: Die Teilnehmer der Seminare profitieren gegenseitig von ihren Erfahrungen und der gemeinsame Unterricht hilft, regionale Vorurteile abzubauen.
Nach 80 Jahren verlässt der TÜV Bayern das Vereinsgebäude in der Kaiserstraße in München-Schwabing und bezieht eine neue Hauptverwaltung in der Westendstraße – die heutige Konzernzentrale von TÜV SÜD. Parallel dazu wird in der benachbarten Ridlerstraße ein modernes Prüfzentrum eingeweiht.
Der Umzug soll auch Ausdruck eines Kulturwandels sein: Mehr Kundennähe, so heißt die Devise.
In einer Denkschrift, entstanden unter der Federführung von Wolfhart Hauser, stellt der TÜV Bayern 1988 den Ansatz eines „Worldwide Approval“ vor, die weltweit anerkannte Produktzertifizierung.
Selbst im eigenen Haus stößt die Idee zunächst auf Skepsis. Doch Hauser lässt sich nicht beirren. Er regt an, dass die deutschen TÜV gemeinsam eine Organisation gründen, die auch jenseits der Grenzen der angestammten Überwachungsgebiete privatwirtschaftlich tätig wird.
Sie soll globalen Unternehmen den einzigartigen Service bieten, ihre Produkte mit nur einem einzigen Zertifizierungspartner weltweit auf den Markt zu bringen.
Das Konzept wird maßgeblich von Prof. Dr.-Ing. Karl Eugen Becker gefördert, der seit 1983 den TÜV Bayern mit großem Erfolg führt und umfassend modernisiert.
Damit ist der Weg zur Gründung der TÜV Product Service GmbH frei, die 1989 als Gemeinschaftsunternehmen der Technischen Überwachungsvereine Bayern, Hannover und Hessen ihre Arbeit aufnimmt.
Im März 1990 lassen ehemalige Mitarbeiter des Amtes für technische Überwachung der DDR den zuerst 1878 in Chemnitz gegründeten sächsischen Überwachungsverein wieder aufleben. Unterstützt wird der Aufbau des TÜV Chemnitz (ab Juli 1990 TÜV Sachsen) vom TÜV Bayern.
Beide Seiten arbeiten auf eine baldige Fusion hin, die 1992 Wirklichkeit wird. 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, sind zunächst der TÜV Baden und der TÜV Stuttgart an der Reihe: Aus den beiden Überwachungsvereinen geht der TÜV Südwest hervor. Die von Wirtschaft und Politik seit Langem geforderte Zusammenführung der beiden TÜV-Organisationen in Baden-Württemberg ist Realität.
Der Geschäftsbereich Product Service wird zum Motor für die weitere Entwicklung des Auslandsgeschäfts.
Parallel zum Wachstum in Deutschland entstehen erste asiatische Niederlassungen in Hongkong, Japan und Taiwan sowie in Korea im Jahr 1994.
In Nordamerika werden parallel dazu die Tochterunternehmen TÜV Product Service Inc. mit Standorten in Kalifornien, Massachusetts und Oregon sowie Emaco Product Service Inc. in San Diego gegründet.
Mit 8.500 Mitarbeitern und 1,4 Milliarden DM Jahresumsatz entsteht der größte Technische Überwachungsverein in Deutschland.
Rückwirkend zum 1. Januar 1996 erfolgt die Vereinigung der Unternehmensgruppe TÜV Bayern und des TÜV Südwest zur TÜV Süddeutschland AG (ab 2005: TÜV SÜD AG). Auch der TÜV Hessen wird durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung im März des Jahres Teil des neuen Unternehmens.
Prof. Dr.-Ing. Karl Eugen Becker, Vorstandsvorsitzender der neu gegründeten Aktiengesellschaft und der wesentliche Architekt der Fusion, will das Unternehmen nun vor allem international weiterentwickeln: „Wir haben die klare Strategie, die Nr. 1 in der sicherheitstechnischen Dienstleistung zu werden, um unseren Kunden als Partner überall dorthin zu folgen, wo unser Rat ihnen Wettbewerbsvorteile verschafft.“ Maßgeblich für die wegweisende rechtliche Struktur des neuen Konzerns ist Günter Häfner.
Der Weg ins World Wide Web beginnt für TÜV SÜD im Jahr 1998: Zeitgleich starten neben der Konzernwebseite www.tuev-sued.de auch spezialisierte virtuelle Service-Zentren.
Unter anderem können sich Autofahrer nun online zur Haupt- und Abgasuntersuchung anmelden, um die Wartezeit zu minimieren. Auch die Seminare der TÜV SÜD Akademie, die seit 1986 besteht, können jetzt online gebucht werden.
In einer Zeit, in der viele Firmen ihre Internetpräsenz vor allem als bessere Visitenkarte verstehen, nutzt TÜV SÜD bereits die interaktiven Möglichkeiten des Netzes, die heute die digitale Welt prägen.
Viele Autofahrer erinnert es an die sechseckige Plakette an ihrem Fahrzeug: das blaue Achteck von TÜV SÜD, das seit Ende der 1990er-Jahre bei Medizinprodukten eingesetzt wird.
Offizielles Firmenlogo wird das Zeichen 2001.
Fünf Jahre später erhält das Oktagon durch den hinzugefügten Schatten ein dreidimensionales Aussehen.
Auch international kommt das Oktagon gut an: Die Acht ist nicht nur in der abendländischen Tradition positiv verankert, sondern sie gilt auch in China als Glückszahl. Und wer noch ein Telefon mit Wähltastatur besitzt, kann sehen: Über der Ziffer 8 stehen die Buchstaben „TUV“.
In Anwesenheit des damaligen Bundeswirtschaftsministers Michael Glos vollzieht TÜV SÜD die bisher größte Akquisition in der Firmengeschichte:
Im März 2006 übernimmt der Konzern die in Singapur beheimatete PSB-Gruppe. Da PSB unter anderem in den Bereichen Managementsysteme und Produktprüfungen eine starke Position in Südostasien hat, gilt die Übernahme als der entscheidende Meilenstein beim Ausbau des Asien-Geschäftes.
Im folgenden Jahr werden auch am anderen Ende des asiatischen Kontinents die Weichen für die Zukunft gestellt: Unter dem Dach von TÜVTÜRK beginnt TÜV SÜD gemeinsam mit zwei regionalen Partnern, in der Türkei ein Netz von rund 200 Kfz-Service-Centern aufzubauen, um für alle der rund zwölf Millionen im Land zugelassenen Kraftfahrzeuge ab 2009 regelmäßige Hauptuntersuchungen nach deutschem Vorbild zu ermöglichen.
Die Technischen Überwachungsvereine sind seit den Anfängen der Industriegesellschaft Wegbereiter für neue Technologien.
2009 knüpft TÜV SÜD an diese Tradition an und unterstützt die Markteinführung von Fahrzeugen mit Elektro- antrieb. Während die seit 2004 zum Konzern gehörige TÜV Hanse GmbH einen detaillierten Prüfkatalog für Elektroautos entwickelt, konzipiert TÜV SÜD in München den weltweit ersten dynamischen Crashtest für Pkw mit Lithium-Ionen-Akkus.
2010 nimmt TÜV SÜD die weltweit erste Hauptuntersuchung an einem vollelektrisch fahrenden Pkw vor und erarbeitet die erste EU-weite Zulassung für ein Elektroauto. Das Unternehmen setzt sich 2009 das ehrgeizige Ziel, weltweit der Marktführer bei der Prüfung von Batterien für E-Fahrzeuge zu werden.