Technische Informationen
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AUFGABEN DER SCHUTZTECHNIK
Die Komponenten in Elektroenergiesystemen stellen hohe Wertanlagen dar. Ihr Ausfall führt zu einer Unterbrechung der Energieversorgung mit unter Umständen weitreichenden Auswirkungen auf nachgeordnete Anlagen. Den Schutz dieser Komponenten vor den Auswirkungen elektrischer Fehler sowie die zuverlässige Weiterversorgung nicht betroffener Verbraucher übernimmt die Schutztechnik.
Fehler sind
schnell zu erkennen
sicher zu erfassen
selektiv fortzuschalten.
Diese Aufgabe soll in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen erfüllt werden (Motto: "Soviel wie nötig, so wenig wie möglich.").
Schnelle Fehlererkennung:
Um die Auswirkungen auf Schaltanlagen, Kabel, Transformatoren und Generatoren so gering wie möglich zu halten und die Stabilität des Netzes nicht zu gefährden, müssen Fehler so schnell wie möglich fortgeschaltet werden. Insbesondere in Schaltanlagen können bei Zeitstaffelung sehr lange Kurzschlusszeiten erforderlich werden. Lichtbogenkurzschlüsse innerhalb der Schaltanlagen haben nur bei sehr kurzen Fehlerzeiten (tk < 100 ms) keine wesentlichen Auswirkungen auf die Schaltanlagen. Bei Versorgung durch Eigenerzeugungsanlagen im Inselbetrieb führen lange Fehlerzeiten zu einer Instabilität der Erzeugereinheiten, die sich je nach Fehlerort in einem Frequenzanstieg oder Frequenzeinbruch äußern. Fehlerzeiten von mehr als einer Sekunde sollten deshalb vermieden werden.
Sichere Fehlererfassung:
Fehler müssen von betriebsbedingten Ereignissen sicher unterschieden werden können. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die maximalen Betriebsströme nur unwesentlich unter den minimalen Kurzschlussströmen liegen. Als typisches Anwendungsbeispiel sei ein Notstromnetz mit Einspeisung aus dem EVU-Netz und bei Netzausfall umschaltbar auf ein Notstromaggregat genannt.
Selektive Fehlerfortschaltung:
Fehler in einem Netzabschnitt dürfen nicht zum Totalausfall führen. Es ist die Aufgabe des Schutzsystems, Fehlerart und Fehlerort eindeutig zu erkennen und nur den fehlerbehafteten Abschnitt wegzuschalten.
In Niederspannungsnetzen müssen die Schutzeinrichtungen häufig zusätzlich den Schutz gegen elektrischen Schlag unter Fehlerbedingungen übernehmen (früher: Nullung). Zur Erfüllung dieser Aufgaben müssen Schutzsysteme geplant werden. Ein nicht geplantes bzw. fehlerhaft geplantes Selektivschutzsystem ist nachträglich nur mit sehr großem Aufwand in ein selektives Schutzsystem umzuwandeln. In Niederspannungsnetzen ist dies in vielen Fällen nahezu unmöglich.
PLANUNGSGRUNDLAGEN
Netzdaten
Netzform
Sternpunktbehandlung
Netzberechnung
Zu schützende Betriebsmittel
Schaltgeräte
Netzdaten
Wesentliche Netzdaten sind:
Spannungsebene
Kurzschlussleistung an der Übergabestelle
Maximale Fehlerklärungszeit des Netzes
Anwendung von KU, AWE
Netzform (Leitungen, Netze)
Einseitig gespeiste Leitung
Zweiseitig gespeiste Leitung
Ringleitung
Strahlennetz
Maschennetz
Sternpunktbehandlung in Mittel- und Hochspannungsnetzen
Netzberechnung
Lastflussberechnung
Kurzschlussstromberechnung
Zu schützende Betriebsmittel
Kabel, Freileitungen
Transformatoren
Generatoren
Motoren
Sammelschienen
Schaltgeräte
Leistungsschalter
Lastschalter
Sicherungslastschalter
Trennschalter
Erdungsschalter
MÖGLICHE FEHLERARTEN
Leitungsfehler
Einpoliger (Erd-)Kurzschluss
Doppelerdkurzschluss
Zweipoliger Kurzschluss
Zweipoliger Kurzschluss mit Erdberührung
Dreipoliger Kurzschluss
Maschinenfehler
Wicklungsschluss
Windungsschluss
Läufererdschluss
KOMPONENTEN DER SCHUTZTECHNIK
Stromwandler
Konventionelle Stromwandler sind Transformatoren, mit denen hohe Ströme in Primärstromkreisen auf normierte Ströme, z. B. 1 A oder 5 A umgewandelt werden, wobei durch den Einsatz digitaler Sekundärtechnik Sekundärströme von 5 A nicht mehr erforderlich sind. Es werden zwei Arten von Stromwandlern je nach Messaufgabe eingesetzt:
Messwandler
Sie dienen zur Versorgung von Elektrizitätszählern und/oder Messgeräten. Zum Schutz der angeschlossenen Geräte sollen Messwandler bei bestimmten Überströmen den Sekundärstrom begrenzen; ein vorzeitiges Sättigungsverhalten ist erwünscht. Ausgedrückt wird dies durch den Überstrom-Begrenzungsfaktor FS, der angibt, bei welchem Vielfachen des Nennstromes die Gesamtmessabweichung mehr als 10 % beträgt.
Kennzeichnung von Stromwandlern für Messzwecke (Beispiel):
15 VA Klasse 0,5 FS 10 bedeutet:
Bemessungsleistung 15 VA, Genauigkeitsklasse 0,5, Überstrom-Begrenzungsfaktor 10
Frühere Bezeichnung: 0,5M10 15 VA
Grenzwerte für Strommessabweichungen und Fehlwinkel für Stromwandler für Messzwecke
(Klassen 0,1 bis 1)
Schutzwandler
Sie dienen zur Versorgung von Schutzeinrichtungen (Schutzrelais). Im Gegensatz zu Meßwandlern sollen Schutzwandler Überströme bis zu ihrem Bemessungsüberstrom sättigungsfrei übertragen. Ausgedrückt wird dies durch den Genauigkeitsgrenzfaktor P, der angibt, bei welchem Vielfachen des Nennstromes die Gesamtmeßabweichung mehr als 5 % bzw. 10 % beträgt.
Kennzeichnung von Stromwandlern für Schutzzwecke (Beispiel):
30 VA Klasse 5P 10 bedeutet:
Bemessungsleistung 30 VA, Genauigkeitsklasse 5 % bei 10fachem Überstrom
Grenzwerte für Messabweichungen für Stromwandler für Schutzzwecke
Für transientes Übertragungsverhalten gibt es spezielle Schutzwandler, mit den Bezeichnungen TPS, TPX, TPY, TPZ.
Spannungswandler
Konventionelle Spannungswandler sind Transformatoren, die primärseitig an Nennspannung angeschlossen sind und die sekundärseitig nahezu im Leerlauf betrieben werden. Die sekundären Nennspannungen sind 100 V, 110 V, 120 V sowie die durch teilbaren Werte. Die in Drehstromsystemen gebräuchlichen Schaltungen sind die Sternschaltung zur Messung der Leiter-Erde-Spannung, die Dreieckschaltung zur Messung der Leiter-Leiter-Spannung und die V-Schaltung, ebenfalls zur Messung der Leiter-Leiter-Spannung. Spannungswandler müssen sekundärseitig gegen Kurzschluss geschützt werden und dürfen nicht kurzgeschlossen werden. Spannungswandler dürfen entsprechend ihrer Klassengenauigkeit bestimmte Fehlergrenzwerte Fu nicht überschreiten. Für den Spannungsbereich 0,8 Un bis 1,2 Un darf der prozentuale Fehler die folgenden Werte nicht übersteigen:
Grenzwerte für Messabweichungen für Spannungswandler für Messzwecke
Grenzwerte für Messabweichungen für Spannungswandler für Schutzzwecke
Die Werte gelten von 5 % Bemessungsspannung bis zur Bemessungsspannung. Bei 2 % Bemessungsspannung dürfen die Grenzwerte um den Faktor 2 überschritten werden.
Schutzrelais
Folgende Relaistechniken sind seit Beginn der Elektrifizierung eingesetzt worden:
Elektromechanische Relais
Die Wirkungsweise beruht auf der Kraftwirkung stromdurchflossener Spulen auf bewegliche Eisenteile. Die Einstellung des Gegenmomentes erfolgt über die Rückstellkraft von Federn.
Analog-statische Relais
Messwerterfassung und Verarbeitung erfolgt über elektronische Schaltungen durch analoge und analog-binäre Verarbeitungsprinzipien. Die Einstellung erfolgt über Potentiometer.
Digitale Relais
Die Geräte arbeiten nach numerischen Verarbeitungsprinzipien, d. h. Umsetzung von Definitionsgleichungen und Differentialgleichungen. Der große Vorteil liegt in der einfachen Anpassung an die jeweilige Schutzaufgabe, in der Eigenüberwachung und in der Einbindung in ein übergeordnetes Leitsystem.
Hilfsspannungsversorgung
Schutzrelais benötigen für den Betrieb eine gesicherte Energieversorgung. In erster Linie werden dazu Gleichstromnetze, bestehend aus Batterie mit Ladegleichrichter, verwendet. Für kleinere Anlagen werden auch dezentrale statische USV-Anlagen eingesetzt. Insbesondere in Niederspannungsnetzen verfügen Leistungsschalter häufig über eine sogenannte Wandlerstromauslösung. Der durch den eingebauten Schutzwandler fließende Strom erzeugt eine ausreichende Leistung zur Versorgung des Schutzrelais und zur Auslösung des Leistungsschalters.
WESENTLICHE FEHLERKRITERIEN
Überstromanregung
Als Kriterium dient der erhöhte Stromfluss, der wesentlich über dem maximalen Betriebsstrom liegen muss. Bei schwacher Einspeiseleistung, z. B. im Inselbetrieb mit Eigenerzeugung kann der Kurzschlussstrom so kleine Werte annehmen, dass der Anregewert des Stromrelais nicht mehr erreicht wird.
Unterimpedanzanregung
Ist durch die kleinsten Kurzschlussströme keine Überstromanregung sichergestellt, bietet sich als zusätzliches Kriterium die Messung der Spannungsabsenkung an. Verknüpft mit dem Strom ergibt sich als Quotient die Fehlerimpedanz und als Kriterium die Unterimpedanzanregung.
Richtungsanregung
In Netzen mit mehr als einer Einspeisung und bei Parallelleitungen führt die Überstromanregung zu unselektiven Auslösungen. Abhilfe schafft hier die Verknüpfung der Überstromanregung mit einem Richtungsentscheid. Da bei Wechselstrom keine Stromrichtung vorhanden ist, ist es möglich, durch zeitgleiche Messung von Spannung und Strom die Leistungsflussrichtung zu ermitteln. Gemessen wird die Änderung des Stromzeigers gegenüber dem Spannungszeiger. Bei Fehlerorten, die von zwei Seiten gespeist werden, tritt im Kurzschlussfall an einer Messstelle eine Winkeländerung auf.
SCHUTZSYSTEME
Leitungsschutz
Überstromschutz 1stufig, 2stufig
Beim Überstromschutz, genauer Überstromzeitschutz, führt die Kombination von Überstrom und Verzögerungszeit zum Auskommando auf das Schaltgerät. Unterschieden werden unabhängiger Überstromzeitschutz UMZ (Unabhängiger Maximalstrom Zeitschutz) und abhängiger Überstromzeitschutz AMZ. Im ersten Fall ist die eingestellte Zeitverzögerung unabhängig von der Höhe des Kurzschlussstromes, im zweiten Fall ist die Zeit stromabhängig. AMZ-Relais entsprechen damit der Überlastkennlinie von Motorschutzrelais. Werden UMZ-Relais in Strahlennetzen mir mehr als einem Abnehmer eingesetzt, erfolgt die Staffelung, d. h. die Einstellung der Verzögerungszeit vom letzten Verbraucher zur Einspeisestelle. Als Sicherheitsabstand sollten 0,3 s nicht unterschritten werden. Der Stromeinstellwert ergibt sich aus dem kleinsten zu erwartenden Kurzschlussstrom, multipliziert mit einem Sicherheitsfaktor (z. B. 0,7). Hierdurch regen im Fehlerfall zwar alle Schutzrelais an, ausschalten wird jedoch nur das Relais, das der Fehlerstelle am nächsten liegt.
Überstromschutz mit Richtungsentscheid
Bei zweiseitig eingespeisten Leitungen oder bei Parallelleitungen kann durch Zeitstaffelung allein keine selektive Abschaltung erfolgen. Es ist deshalb ein Richtungsentscheid erforderlich. Es gilt auch hier, dass die kürzeren Verzögerungszeiten bei den weiter entfernten Fehlerorten eingestellt werden. Bekannt ist diese Technik als "gegenläufige Zeitstaffelung".
Leitungsdifferentialschutz
Der Nachteil des Überstromzeitschutzes ist die lange Kurzschlussdauer, je näher der Fehlerort an der Einspeisung liegt. Dadurch nehmen die thermischen Belastungen für Schaltanlagen unverhältnismäßig zu (I²t). Eine Möglichkeit der kurzen Fehlerzeiten bei strenger Einhaltung der Selektivität ist die Anwendung des Vergleichsschutzes (hier als Stromvergleichsschutz behandelt), auch Differentialschutz genannt. Das Prinzip entspricht der geometrischen Summenstrommessung. An beiden Enden der zu schützenden Leitung werden durch Stromwandler die Ströme gemessen. Bei fehlerfreier Leitung müssen die Ströme, die an einem Ende in die Leitung hineinfließen, am anderen Ende wieder herausfließen ( ). Im Fehlerfall wird die Summenmessung ein von Null verschiedenes Ergebnis liefern, das zum Auskommando der Leistungsschalter führt. Da die Stromwandler unterschiedliches Sättigungsverhalten aufweisen können, das bei Kurzschlüssen außerhalb des Schutzbereiches zu Fehlauslösungen führen kann, sind Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich. Stabilisierung bedeutet, dass erst ab einem festgelegten Differenzstrom eine Auslösung erfolgt. Differentialschutzrelais arbeiten nicht bei Fehlerorten, die außerhalb ihrer Stromwandler liegen. Es ist deshalb immer ein zusätzlicher Schutz erforderlich. Da Differentialschutzrelais durch Signalaustauschleitungen verbunden werden müssen, ist ihre Anwendung im allgemeinen auf kürzere Entfernungen (ca. 10 km) beschränkt.
Erdschlussschutz
Erdschlussschutzeinrichtungen ergeben sich aus der Art der Sternpunkterdung. In Netzen mit niederohmiger Sternpunkterdung ist ein Erdschluss ein 1poliger Kurzschluss, der durch Netzschutzeinrichtungen erfasst und fortgeschaltet wird. In Netzen mit freiem Sternpunkt oder mit Resonanzsternpunkterdung tritt kein merklicher Erdschlussstrom auf. Da bei einem Erdschluss die Leiter-Erde-Spannungen der fehlerfreien Außenleiter um den Faktor zunehmen, müssen Erdschlüsse erkannt und so schnell wie möglich behoben werden. Erdschlüsse können durch eine einfache Messung der Leiter-Erde-Spannung erfasst werden, die jedoch keine Aussage über den Fehlerort ermöglicht. Gemessen wird die Nullspannung Ue-n über einen in Dreieck geschalteten Spannungswandler. Zur Bestimmung des Fehlerortes sind Erdschluss-Eingrenzungsschaltungen im Netz erforderlich, die zu einer unerwünschten Netzunruhe führen. Durch gleichzeitiges Messen von Ue-n und I0 ist eine Fehlerortung möglich. In Netzen mit Resonanzsternpunkterdung ist der Erdschlussstrom durch die Wirkung der Petersenspule sehr gering, so dass nur noch die Wirkkomponente des Erdschlussstromes in der Größenordnung von ca. 5 % des kapazitiven Erdschlussstromes messbar ist. Zur Erhöhung der Messgenauigkeit wird deshalb in die Sekundärwicklung der Petersenspule zeitweise ein Widerstand geschaltet. Eine weitere Möglichkeit zur Fehlerortung ist die kurzzeitige niederohmige Sternpunkterdung KNOSPE, bei der im Erdschlussfall parallel zur Petersenspule ein Sternpunktwiderstand geschaltet wird. Der sich nun ergebende 1-polige Kurzschluss wird durch den Netzschutz fortgeschaltet.
Sammelschienenschutz (vereinfacht)
UMZ-Schutz mit rückwärtiger Verriegelung
Dem Nachteil des Überstromzeitschutzes, dass die Kurzschlussdauer zunimmt, je näher der Fehlerort an der Einspeisung liegt, kann relativ preiswert durch einen Sammelschienenschutz mit rückwärtiger Verriegelung begegnet werden. Die Funktion ist in der nachfolgenden Skizze erläutert. Der Einspeiseschalter erhält über Hilfskontakte der Abgangsschutzrelais ein Blockiersignal für die Schnellzeitauslösung. Bei einem Fehler auf der Sammelschiene regt kein Abgangsschutz an und die Schnellzeitauslösung wird freigegeben.
Speist nun eine externe Eigenerzeugungsanlage auf die Sammelschiene ein, so wird bei einem Sammelschienenkurzschluss durch den Abgangsschutz der Eigenerzeugungsanlage ein Blokkiersignal erzeugt und verhindert so die Abschaltung in Schnellzeit. Als Abhilfe bietet sich der Einbau eines Richtungszusatzes an, der von einigen EVU gefordert wird, wenn der von der Eigenerzeugungsanlage gelieferte Kurzschlussstrom einen bestimmten Wert übersteigt.
Transformatorschutz
Überstromschutz
Als Überstromschutz von Transformatoren empfiehlt sich ein zweistufiger Überstromzeitschutz. Hiermit lassen sich Kurzschlüsse bis zur unterspannungsseitigen Sammelschiene erfassen. Die Stromeinstellung für die erste Stufe muss größer als der maximale Laststrom und kleiner als der kleinste Kurzschlussstrom auf der Unterspannungsseite sein. Die Zeitstufe soll eine selektive Fortschaltung der unterspannungsseitigen Abgangsschutzeinrichtungen ermöglichen. Die Stromeinstellung für die zweite Stufe (Hochstromstufe) sollte noch Fehler in der "elektrischen Mitte" des Transformators erfassen. Leerlaufende Transformatoren, die im Spannungsnulldurchgang eingeschaltet werden, haben einen hohen Einschaltstromstoß zur Folge (Inrush), der meistens nach 100 ms bis 200 ms abklingt. Sofern keine Einschaltstabilisierung vorgesehen ist, die den Einschaltstromstoß als solchen erkennt (Auswertung der 100 Hz-Schwingung), muss für die Hochstromstufe des UMZ-Schutzes eine ausreichend lange Zeitstufe vorgesehen werden, um Fehlauslösungen zu vermeiden.
Differentialschutz
Der Transformatordifferentialschutz arbeitet ebenfalls auf der Grundlage des Stromvergleiches. Im Gegensatz zum Leitungsdifferentialschutz sind einige Besonderheiten zu beachten. Transformatoren haben unterschiedliche Primär- und Sekundärströme, die Schaltgruppen (und somit die Phasenverschiebung) ober- und unterspannungsseitig sind häufig unterschiedlich, das Sättigungsverhalten der primär- und sekundärseitigen Stromwandler kann unterschiedlich sein. Zudem fließt im Moment des Einschaltens der Strom nur in den Transformator (Magnetisierungsstrom). Da dies zum Auslösen des Differentialschutzes führen würde, sind Anpass- und Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich.
Durch Anpassungswandler werden unterschiedliche Schaltgruppen kompensiert, durch stromabhängige Stabilisierungsschaltungen werden Ungenauigkeiten infolge ungenauer Primär- und Sekundärstromwandler sowie unterschiedlicher Sättigungserscheinungen kompensiert, durch die Auswertung der 100 Hz-Komponente des Einschaltstromes kann der Transformator ohne Fehlauslösung zugeschaltet werden.
Schutz durch Schmelzsicherungen
Weit verbreitet ist der Kurzschlussschutz von Verteil-Transformatoren durch Hochspannungs-Hochleistungssicherungen (HH-Sicherungen). In Verbindung mit Lastschaltern, die bei Ansprechen der HH-Sicherung allpolig ausschalten ist eine preiswerte Lösung gegeben. In DIN VDE 0670 Teil 402 sind Empfehlungen für die Auswahl von Sicherungseinsätzen für Transformatorstromkreise genannt. HH-Sicherungen sind kein Überlastschutz, die selektive Fehlerfortschaltung zu unterspannungsseitigen Leistungsschaltern ist erheblich eingeschränkt.
Generatorschutz
Überstromschutz
Der Überstromzeitschutz für Generatoren hat die Aufgabe, bei Fehlern bis zum Generatorschalter bzw. bis zur Sammelschiene zu schützen. Dazu werden im allgemeinen im Generatorsternpunkt Schutzwandler vorgesehen. Der Stromeinstellwert muss kleiner als der 3-polige Dauerkurzschlussstrom gewählt werden. Insbesondere bei Anlagen im Inselbetrieb soll die maximale Zeitstufe 1 Sekunde nicht übersteigen. Bei Kurzschlüssen zwischen Generator und Generatorschalter muss zusätzlich zur Schalterauslösung die Generatorschnellentregung eingeleitet werden.
Differentialschutz
Der Differentialschutz erfasst Fehler im Generator und Fehler zwischen Generator und Generatorschalter (Sammelschiene). Er ist als Ergänzung zum Überstromzeitschutz zu sehen. Bei Generatoren in Blockschaltung erfolgt der Differentialschutz zwischen Generatorsternpunkt und der Oberspannungsseite des Blocktransformators. Es gelten hier ähnliche Besonderheiten wie beim Transformatordifferentialschutz.
Spannungssteigerungs-/rückgangsschutz
Der Spannungssteigerungsschutz soll den Generator vor Isolationsschäden in der Ständerwicklung schützen, bei Blockschaltung zusätzlich den Transformator vor Übererregung. Zudem können im Inselbetrieb die Verbraucher geschädigt werden. Der Spannungsrückgangsschutz soll insbesondere unterspannungsempfindliche Verbraucher, z. B. Motoren vor Schäden bewahren.
Frequenzrückgangsschutz
Unterfrequenz gefährdet beim Anfahren (Inselbetrieb) insbesondere den Blocktransformator, da dieser ohne Spannungsabsenkung übererregt wird. Es ist deshalb sicherzustellen, dass eine frequenzabhängige Spannungsabsenkung vorhanden ist.
Rückleistungsschutz
Der Rückleistungsschutz ist ein richtungsabhängiger Schutz, der den Wirkleistungsfluss erfasst. Er soll bei Ausfall der Antriebseinheit (Turbine, Motor) verhindern, dass der Generator die Antriebseinheit schleppt. Insbesondere bei Turbinen kann dies zu Schäden an den Schaufeln führen.
Vektorsprung
Bei kleineren Erzeugereinheiten, die netzparallel gefahren werden, empfehlen die Hersteller den Einbau von Vektorsprungrelais. Hierdurch sollen bei Kurzunterbrechungen im Netz bzw. bei Nahkurzschlüssen nach Spannungswiederkehr asynchrone Zusammenschaltungen verhindert werden. Vektorsprungrelais messen die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nulldurchgängen der Generatorklemmenspannung. Laständerungen verursachen in Abhängigkeit des Verhältnisses von Netzkurzschlussleistung und Generatorkurzschlussleistung eine Änderung des Nulldurchgangs und somit eine Änderung des Polradwinkels. Diese Änderung tritt in den ersten 10 Millisekunden nach Laständerung auf; sie ist somit eine sehr schnelle Schutzeinrichtung.
ERMITTLUNG VON KURZSCHLUSSSTRÖMEN (in Niederspannungsnetzen)
Grundsätzliche Überlegungen
Für die Auslegung von elektrischen Betriebsmitteln ist neben betrieblichen und gesetzlichen Anforderungen auch die Kenntnis über die Höhe der Kurzschlussströme, deren Zeitdauer und deren Auswirkungen notwendig.
Als Kurzschluss bezeichnet man die zufällige oder beabsichtigte - nahezu widerstandslose - Verbindung zwischen zwei oder mehr Stellen eines elektrischen Netzes, die normalerweise unterschiedliche Spannungen haben.
Kurzschlüsse werden unterschieden nach:
Kurzschlüssen mit während des Kurzschlussverlaufes konstanter Spannung und nahezu konstantem Wechselstromanteil (generatorferner Kurzschluss).
Kurzschlüssen mit während des Kurzschlussverlaufes abklingender Spannung und/oder abklingendem Wechselstromanteil (generatornaher Kurzschluss).
In Niederspannungsnetzen sind folgende Kurzschlussarten möglich:
dreipoliger Kurzschluss
zweipoliger Kurzschluss
einpoliger Kurzschluss
wei einpolige Kurzschlüsse an verschiedenen Stellen (Doppelerdschluss)
Als einpoliger Kurzschluss gilt der Fehler zwischen Außenleiter und PEN-Leiter oder Außenleiter und PE-Leiter oder Außenleiter und N-Leiter. Echte Erdschlüsse und Doppelerdschlüsse spielen in Niederspannungsnetzen keine wesentliche Rolle und werden hier nicht behandelt.
Für die Auslegung von elektrischen Betriebsmitteln sind die größten Kurzschlussströme maßgebend. Für die Wirksamkeit von Schutzeinrichtungen ist die Kenntnis der kleinsten Kurzschlussströme erforderlich. Für die selektive Staffelung von Schutzeinrichtungen unterschiedlicher Charakteristik ist sowohl die Kenntnis der größten als auch der kleinsten Kurzschlussströme notwendig. Die nachfolgenden Übersichten geben Aufschluss über Arten der Sternpunktbehandlung und Fehlergrößen.
Kurzschlüsse im Niederspannungsnetz
1)Im TT-Netz gilt als einpoliger Kurzschluss der Fehler zwischen Außenleiter und Neutralleiter. 2)In der Nähe von Transformatoren und Generatoren kann der einpolige Kurzschluss die größten Werte ergeben. Bei Transformatoren wird als Schaltgruppe Dy angenommen. 3)Gilt für Kurzschlüsse in der Nähe von Generatoren.
Kurzschlüsse im Mittel- und Hochspannungsnetz
Berechnung von Kurzschlussströmen
Die Berechnung von Kurzschlussströmen ist in DIN EN 60909-0:2013-02; VDE 0102:2013-02 - Entwurf geregelt. Bei der Berechnung wird der metallische Kurzschluss vorausgesetzt. Einflüsse wie Lichtbogenwiderstände, Übergangswiderstände, andere Leitertemperaturen, Abweichungen von der Nennspannung usw. führen zu unterschiedlichen Ergebnissen zwischen den errechneten und den tatsächlichen Kurzschlussströmen. Diese Einflüsse werden durch den Faktor c berücksichtigt. Im 400/230 V-Netz beträgt der Faktor cmax = 1.00 bei der Berechnung der größten Kurzschlussströme und cmin = 0.95 bei der Berechnung der kleinsten Kurzschlussströme.
Als Berechnungsverfahren wird das Verfahren mit der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle angewandt. Das bedeutet, dass die einzige wirksame Spannung im Netz die Spannungsquelle an der Fehlerstelle ist und alle anderen Spannungen wie Netzeinspeisungen, Generatoren und Motoren zu Null gesetzt und durch ihre Innenwiderstände in der Rechnung berücksichtigt werden.
Bei der Berechnung wird ein unbelastetes Netz angenommen. Als Betriebsmitteldaten werden die Bemessungswerte verwendet. Dadurch eignet sich dieses Verfahren sowohl für bestehende Netze als auch für Netze, die sich noch in der Planung befinden. Die Berechnung erfolgt zunächst ohne Berücksichtigung des Ansprechens von Schutzeinrichtungen oder von Schaltungsänderungen im Netz.
Generatorferne Kurzschlussströme
Impedanzen der Betriebsmittel
Netzeinspeisung
Als Netzeinspeisung gilt die Kurzschlussleistung oder der Kurzschlussstrom am vereinbarten Anschlusspunkt. Dies kann die mittelspannungsseitige EVU-Einspeisung sein oder der Abgang an einer Verteilung. Bei der mittelspannungsseitigen EVU-Einspeisung wird im allgemeinen die Anfangs-Kurzschlusswechselstromleistung S''kQ angegeben. Aus dieser Angabe kann der Netzinnenwiderstand (Kurzschlussimpedanz) berechnet werden:
Liegt als Angabe der Netzeinspeisung der Kurzschlussstrom I''kQ an einem Abgang vor, so kann der Netzinnenwiderstand wie folgt berechnet werden:
Beispiel:
Im 10 kV-Mittelspannungsnetz der Stadtwerke München wird als Anfangs-Kurzschlusswechselstromleistung S''kQ = 350 MVA angegeben. Dies entspricht einem Netzinnenwiderstand
Umgerechnet auf die 400 V-Spannungsebene des Transformators ergibt sich ein Netzinnenwiderstand
Transformatoren
Betrachtet werden Zweiwicklungstransformatoren. Der Innenwiderstand kann aus der Bemessungsscheinleistung SrT, der Bemessungsspannung UrT und der Bemessungskurzschlussspannung ukr errechnet werden. Zur Bestimmung des Wirkwiderstandes ist die Kenntnis der Kurzschlussverluste PkrT oder des ohmschen Spannungsfalls uRr erforderlich. Es gilt:
Beispiel:
Ein Transformator hat gemäß Leistungsschild folgende Bemessungswerte (auszugsweise): SrT = 630 kVA, Up = 10000 V, Us = 400 V, IrT = 909 A, ukr = 5.8%. Die Kurzschlussimpedanz ZT errechnet sich zu
Der ohmsche Spannungsfall oder die Kurzschlussverluste sind auf den Leistungsschildern nicht enthalten. Sie werden von den Herstellern auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Liegen keine Angaben vor, so kann für Transformatoren mit Scheinleistungen von 250 kVA bis 2.5 MVA mit folgenden Anhaltswerten gerechnet werden: uRr = 0.9 % - 1.7 %. Die kleineren Werte gelten dabei für Transformatoren mit größerer Scheinleistung. Im vorliegenden Beispiel wird ein ohmscher Spannungsfall uRr = 1.2 % angenommen.
Sind mehrere Transformatoren mit gleicher Kurzschlussspannung parallel geschaltet, so können zur Bestimmung der Transformatorwiderstände die Scheinleistungen addiert werden. Sind mehrere Transformatoren mit unterschiedlicher Kurzschlussspannung parallel geschaltet, so kann für die Kurzschlussspannung der Mittelwert gebildet werden:
Leitungen, Kabel
Die Wirkwiderstände von Leitungen und Kabeln können annähernd mit dem spezifischen Leitwert K (oder Widerstand p) und dem Nennquerschnitt q berechnet werden. Es gilt:
Die spezifischen Leitwerte betragen bei 20°C für
Kupfer
Aluminium
Aluminiumlegierung
Für genauere Werte sind die Angaben der Kabelhersteller zu verwenden. Für die Berechnung der kleinsten Kurzschlussströme sind die Wirkwiderstände auf 80°C umzurechnen. Für die Umrechnung gilt:
oder allgemein für Kupfer
Die Blindwiderstände sind sehr stark von der Kabel- bzw. Leitungsgeometrie abhängig. Sofern keine genauen Angaben vorliegen, kann mit den folgenden Werten gerechnet werden:
Kabel, Leitungen
Stromschienen
Freileitungen
Motoren
Synchron- und Asynchronmotoren liefern Anteile zum Kurzschlussstrom. Diese Anteile brauchen nicht berücksichtigt zu werden, wenn die Summe der Bemessungsströme aller Motoren im betrachteten Netz kleiner ist als 1% des Anfangs-Kurzschlusswechselstromes ohne den Einfluss der Motoren. Für die Bestimmung der Motorimpedanz ZM von Asynchronmotoren gilt:
Beispiel:
Ein Motor hat lt. Leistungsschild folgende Daten
Die Rückfrage beim Hersteller ergibt einen Anlaufstrom von 6.5 mal Nennstrom. Die Motorimpedanz errechnet sich dann:
Berechnungsformeln
Dreipoliger Kurzschluss I''k
Zweipoliger Kurzschluss I''k2
Einpoliger Kurzschluss I''k1
Z0: Impedanzen der Rückleitung, vereinfacht kann auch mit dem Schleifenwiderstand Zs gerechnet werden. Die Berechnungsformel ändert sich dann zu
Stoßkurzschlussstrom ip>
Die bisher betrachteten Kurzschlussströme sind Effektivwerte. Für die Auslegung der mechanischen Festigkeit von Schaltanlagen, Schaltern und anderen Komponenten ist die Kenntnis des maximal möglichen Augenblickswertes erforderlich. Je nach Spannungsverlauf bei Kurzschlusseintritt wird durch die Induktivität des Netzes und die erzwungene Stromänderung ein Gleichstromglied erzeugt, das sich der Wechselstromkomponente überlagert. Der Scheitelwert wird als Stoßkurzschlussstrom bezeichnet. Dieser Wert tritt in einem Netz mit Nennfrequenz 50 Hz 5 ms bis 10 ms nach Kurzschlussbeginn auf. Die Berechnungsformel lautet:
wobei I''k der dreipolige, zweipolige oder einpolige Kurzschlussstrom sein kann. K wird als Stoßfaktor bezeichnet und ist abhängig vom Verhältnis R/X an der Kurzschlussstelle. K kann dem Diagramm entnommen oder nach folgender Näherungsformel berechnet werden:
Kleinste Kurzschlussströme
Für die Berechnung der kleinsten Kurzschlussströme gelten grundsätzlich die gleichen Formeln wie zur Berechnung der größten Kurzschlussströme. Für die Berechnung wird in Netzen mit Nennspannung Un = 400 V der Faktor c = 0.95 gesetzt und der Leiterwirkwiderstand auf 80°C umgerechnet.
Generatornahe Kurzschlussströme
Typische Anwendungsgebiete, in denen mit generatornahen Kurzschlüssen gerechnet werden muss sind z. B.:
Notstromnetze mit Speisung aus einem Ersatzstromaggregat wie sie sehr oft für öffentliche Gebäude von den Genehmigungsbehörden gefordert werden.
Blockheizkraftwerke, die immer öfter Anwendung in der Industrie und in Verwaltungsgebäuden finden um einerseits die notwendige Heiz- bzw. Kälteleistung zur Verfügung zu stellen und um andererseits notwendige Sicherheitseinrichtungen (z. B. Feuerlöschpumpen) bei Netzausfall zu versorgen.
Das Kennzeichen des generatornahen Kurzschlussstromes ist die nichtkonstante Spannung, die im Verlauf des Kurzschlusses von der Nennspannung auf den durch Spannungsregler beeinflussten Wert absinkt. Es gilt I''k > Ia > Ik: Der Anfangs-Kurzschlusswechselstrom ist größer als der Ausschaltwechselstrom und dieser ist größer als der Dauerkurzschlussstrom. Wie bereits erwähnt, liegt ein generatornaher Kurzschluss dann vor, wenn mindestens ein Generator mit mehr als dem zweifachen seines Bemessungsstromes den Kurzschluss speist oder wenn die am Netz befindlichen Motoren mehr als fünf Prozent zum Anfangs-Kurzschlusswechselstrom ohne Motoren beitragen.
Während der ersten hundert bis zweihundert Millisekunden nach Eintritt eines Kurzschlusses laufen im Generator komplizierte Ausgleichsvorgänge zwischen Ständer-, Läufer- und Erregerwicklung ab. Mathematisch werden diese Vorgänge mit zeitlich veränderlichen Reaktanzwerten beschrieben. Dies sind die subtransiente Reaktanz x''d, die transiente Reaktanz x'd und die Synchronreaktanz xd einschließlich der zugehörigen Zeitkonstanten t''d und t'd. Für die Berechnung der zweipoligen und einpoligen Kurzschlussströme sind noch die Gegenreaktanz x2 und die Nullreaktanz x0 erforderlich. Bei Niederspannungsgeneratoren kann der Wirkwiderstand nicht mehr vernachlässigt werden. Aus diesem Grund und zur Ermittlung des Stoßkurzschlussstromes ist die Kenntnis des Wirkwiderstandes rG notwendig.
Der Kurzschlussstrom beginnt mit einem relativ hohen Wert, der - abhängig von der subtransienten Reaktanz x''d - meistens zwischen dem 8-fachen bis 12-fachen des Generatorbemessungsstromes liegt. Er klingt innerhalb von 100 bis 250 ms auf den von der Synchronreaktanz bestimmten Dauerkurzschlussstrom ab. Dieser Dauerkurzschlussstrom würde unter dem Generatorbemessungsstrom liegen, wenn nicht durch den Spannungsregler ein Wert bewirkt würde, der bei dem ca. 3-fachen des Generatorbemessungsstromes liegt.
Vereinfachte Verfahren zur Ermittlung von 3-poligen und 1-poligen Kurzschlussströmen in Niederspannungsnetzen
Anfangs-Kurzschlusswechselstrom I''k
Die Formeln zur Berechnung der Anfangs-Kurzschlusswechselströme bei Generatorklemmenkurzschlüssen lauten:
3-poliger Anfangs-Kurzschlusswechselstrom
3-poliger Anfangs-Kurzschlusswechselstrom
3-poliger Anfangs-Kurzschlusswechselstrom
Dauerkurzschlussstrom
Die Dauerkurzschlussströme im Niederspannungsnetz sind abhängig von der Erregereinrichtung. Die Werte sind vom Generatorhersteller zu erfragen. Sofern keine Herstellerangaben vorliegen, können für eine überschlägige Berechnung die folgenden Anhaltswerte verwendet werden:
Subtransiente Reaktanz xd’’ = 9 % ... 18 %
Gegenreaktanz x2 = 10 % ... 20 %
Nullreaktanz x0 = 3 % ... 8 %
Wirkwiderstand rg ~ 0.05 ... 0.15 x xd’’ (> 1 kV ... < 1 kV)
3-poliger Dauerkurzschlussstrom IK ~ 3 In
2-poliger Dauerkurzschlussstrom IK2 ~ 1.2 Ik
1-poliger Dauerkurzschlussstrom IK1 ~ 1.6 1.8 Ik
Die kleineren Reaktanzwerte beziehen sich dabei auf Notstromaggregate, die größeren Reaktanzwerte auf Generatoren im Dauerbetrieb (z. B. BHKW).
Für vereinfachte Berechnungen können folgende Ersatzimpedanzen verwendet werden.
Ersatzimpedanz 3-polig
Ersatzimpedanz 2-polig
Ersatzimpedanz 1-polig
Diese Ersatzimpedanzen werden zu den Leitungsreaktanzen bzw. Transformatorreaktanzen arithmetisch addiert.
Messen von Kurzschlussströmen
In den meisten Fällen werden in bestehenden Niederspannungsnetzen die Kurzschlussströme durch Messung bestimmt. Als Messverfahren mit den wenigsten Nachteilen hat sich die Schleifenwiderstandsmessung durchgesetzt. Hierbei wird durch das zeitlich begrenzte Aufschalten eines Prüfstromes der - durch diesen Prüfstrom verursachte - Spannungsfall gemessen. Aus dem Verhältnis "Spannungsfall zu Prüfstrom" ergibt sich der Netzinnenwiderstand und somit der Kurzschlussstrom. Die Gerätehersteller bieten eine Vielzahl von Messgeräten an, mit denen in kurzer Zeit an vielen Stellen der Kurzschlussstrom gemessen werden kann. Da fast alle Geräte nur den Spannungsfall messen und den Winkel zwischen Strom und Spannung vernachlässigen, wird bei Widerständen mit größerem induktivem Anteil, z. B. an Unterverteilungen, der Messfehler relativ groß. Ein weiterer Nachteil der Schleifenwiderstandsmessung ist, dass sie nur bei generatorfernen Fehlern verwertbare Messergebnisse bringt. Es können keine Kurzschlussströme bei Generatorbetrieb gemessen werden und es werden auch keine motorischen Anteile erfasst. Dies liegt daran, dass weder die Höhe noch die Einwirkdauer des Prüfstromes ausreichen, bei Generatoren Ausgleichsvorgänge zu verursachen bzw. bei Motoren einen so großen Spannungseinbruch zu verursachen, dass sie in den generatorischen Betrieb übergehen. Zudem ist zu bedenken, dass die Messergebnisse ein Augenblicksergebnis darstellen. Zur Bestimmung der größten oder kleinsten Kurzschlussströme ist eine Umrechnung auf maximale und minimale Spannung und Temperatur erforderlich.