Schweißen heißt für die Fertigung in Handwerk, Gewerbe und Industrie immer auch Rationalisierung. Es zählen Sicherheit, Präzision und Effizienz. Fehlerfreie, glatte Nähte sollen zeit- und kostenintensive Nacharbeit überflüssig machen. Dabei stellen die verschiedenen Werkstoffe unterschiedliche Anforderungen an den Schweißprozess und damit an die Schutzgas-Atmosphäre.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die für den jeweiligen Werkstoff geeigneten Gase bzw. Gasgemische. Die lange Tradition des Schweißens macht leicht vergessen, dass das technische Zeitalter zunächst ohne diese Verbindungstechnik auskommen musste, denn Schweißen war von Beginn an ein Hightech-Verfahren, das die Umsetzung eines gebündelten und umfassenden Know-hows erforderte. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts gelang der Durchbruch.
Ganz überwiegend arbeitet man seitdem mit sogenannten Schmelzschweißverfahren, die immer einen Schutz der Schmelze vor der umgebenden Atmosphäre erfordern. Das war auch die Geburtsstunde der Schweißgase. Oder eher umgekehrt: Die weite und zügige Verbreitung des Autogenschweißens wurde erst durch die großtechnische Verfügbarkeit von Acetylen (durch die Entwicklung der Beleuchtungstechnik) und Sauerstoff (zur Stahlerzeugung) möglich. Dieser Wirtschaftlichkeitsaspekt gilt auch heute noch: Schweißgase müssen großtechnisch und damit kostengünstig verfügbar sein. Der Aufschwung der Automobilindustrie in den zwanziger und dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts machte zuerst mit der Erdöl- und dann auch mit der Erdgasförderung Helium in großen Mengen verfügbar. Ausgehend vom "Arcatom"-Schweißen unter Wasserstoff kam es zum Helium-Einsatz nach dem "Heliarc"-Verfahren. Anschließend erkannte man die Eignung von Argon, verfügbar aus der Luftzerlegung, für das Schutzgasschweißen. Das führte zum "Argonarc"-Verfahren. Heute heißt das Schweißen unter Edelgas mit einer Wolframelektrode, unabhängig von der Art des Schutzgases, TIG oder WIG. In den 50er Jahren kam noch das Schweißen mit abschmelzender Elektrode hinzu - mit inerten Schutzgasen als MIG-Prozess für Aluminium-Werkstoffe, mit Aktivgasen als MAG-Verfahren für Stähle.
Die heute dominierende Anwendung des MIG/MAG-Schweißens beruht auf seiner hohen Leistungsfähigkeit in Verbindung mit der verfügbaren hochentwickelten Gerätetechnik.
Die Anzahl der zum Schweißen in Frage kommenden Gase erscheint zunächst begrenzt:
Edelgase |
Molekulare Gase |
Chemische Verbindungen |
Argon |
Sauerstoff |
Kohlendioxid |
Helium |
Stickstoff |
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Wasserstoff |
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Gase, die beim Schweißen ebenfalls zum Einsatz kommen
Neben den schon erwähnten Edelgasen Argon und Helium sind es die molekularen Gase Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff, die ihren festen Platz beim Schweißen und ebenso beim Schneiden haben. Als chemische Verbindung gibt es neben den Kohlenwasserstoff- Brenngasen für die Autogentechnik wie Acetylen, Ethen, Propen und Propan/Butan sowie Methan/Erdgas nur ein einziges Schweißgas im engeren Sinne: CO2, die "Schweißkohlensäure".
Gezielte Effekte beim Schutzgasschweißen lassen sich durch Mischungen erreichen, in der Lichtbogenhitze der Schutzgasschweißprozesse hat nämlich keine chemische Verbindung Bestand.
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Gemische wirken also wie "virtuelle Moleküle". So verhält sich Sauerstoff als reines Element in gewissen Grenzen ganz ähnlich wie Sauerstoff aus CO2. Ein "Schweißgasmolekül" CAr4O2 lässt sich zum Beispiel als "Cocktail" mühelos realisieren, ohne dass dafür ein Chemie-Nobelpreis in Sicht wäre. Für das Schweißen von Stahlwerkstoffen haben sich solche sauerstoffhaltigen Argon-Gemische seit langem unter dem Sammelbegriff "Mischgas" etabliert. Beim Edelstahlschweißen können diese Gemische als weitere Zusätze Helium, Stickstoff oder Wasserstoff enthalten. |
Die bei zulassungspflichtigen Anwendungen geltende Schweißgase - Norm DIN EN ISO 14175 SG ist dabei, so gestaltet, dass neue Gemische grundsätzlich immer nach EN-Nummern klassifizierbar sind. Zugleich konnte im Interesse der Anwender durchgesetzt werden, dass die entsprechenden Zulassungen, zum Beispiel im Brücken- oder Behälterbau, wesentlich flexibler als bisher geregelt sind.
Gesteigerte Produktivität erfordert neue Schutzgasgemische
Die weitere Entwicklung der Schweißschutzgase bei der Air Liquide verfolgt konsequent das Ziel, einen Beitrag zur Produktivitätserhöhung zu leisten. Der Einsatz prozessoptimierter Schutzgasgemische ist ein wichtiger Schlüssel zur weiteren Erhöhung der Produktivität.
Der allgemeine Wettbewerbsdruck erfordert ein ständiges Ausschöpfen aller Reserven bezüglich Schweißleistung und Qualität. Dabei geht es im ersten Schritt um die Reduzierung von kostenintensiver Nacharbeit, die aus ganz unterschiedlichen Gründen anfallen kann. Hierbei gehören das Abschleifen von Schweißnähten an der Oberseite, das Entfernen von Schweißspritzern und das Beheben von Schweißverzug zu den Maßnahmen, die zwar recht kostenintensiv sein können, aber keine grundsätzlichen Qualitätsprobleme betreffen. Wesentlich gravierender sind Fehler innerhalb der Schweißnaht wie Risse, Poren oder mangelnde Anbindung an den Grundwerkstoff, die zuverlässig vermieden werden müssen. In allen Fällen können Schweißgase wirksam dazu beitragen, die Prozesse sicherer zu machen und damit neben der Qualität auch die Wirtschaftlichkeit entscheidend zu verbessern.
Mikrodotierung mit Stickstoff - kleine Ursache, große Wirkung
Qualitätsfragen sind besonders beim Schweißen von Aluminium zu beachten. Aufgrund seiner spezifischen Vorteile kommt dieser Werkstoff in steigendem Maße bei Schweißkonstruktionen zum Einsatz. Obwohl Aluminium ungleich schwieriger zu schweißen ist als Stahl, sollen die Schweißkosten dennoch die von unlegiertem Stahl möglichst nicht überschreiten. Der Aufwand für die Nacharbeit muss daher unbedingt in Grenzen gehalten werden. Besonders kritisch ist hier die Reaktivität des Aluminiums beim Schweißprozess. Wasserstoff kann bereits in Spuren, wie sie z. B. über den Schweißdraht und das Werkstück eingeschleppt werden, eine erhebliche Porosität in der Schweißnaht verursachen.
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Aufgrund der spezifischen Einsatzgebiete der Edelstähle liegt der Schwerpunkt hier noch mehr beim WIG-Schweißen als bei den Aluminiumwerkstoffen, bei denen sich zunehmend eine Umschichtung vom WIG- zum wesentlich leistungsstärkeren MIG-Schweißen vollzieht. Die Gründe hierfür liegen in den charakteristischen Werkstoffeigenschaften von Edelstählen in Verbindung mit den hohen Anforderungen an die Lebensdauer bei korrosiver und mechanischer Belastung. Dabei dominiert bauteilbedingt nach wie vor das Schweißen von Hand. Durch das Vordringen von Edelstählen in weitere Einsatzbereiche, wie zum Beispiel im Bauwesen oder auch im öffentlichen Bereich, steht zunehmend auch der mittelständische Metallbau vor der Notwendigkeit, Edelstahl wirtschaftlich zu verarbeiten. Beim Handschweißen von Edelstählen wurde bislang reines Argon eingesetzt. Die vom Automatenschweißen her bekannten Argon-Wasserstoffgemische sind für den Handschweißer nicht beherrschbar. Dies gab für die Gase-Entwicklung den Anstoß, hier nach einer geeigneten Schutzgas-Alternative zu suchen. Gefunden wurde sie mit ARCAL 110 ® (Produkt der Fa. AIR LIQUIDE Deutschland GmbH), einem auf Argon basierenden Dreistoffgemisch mit wenig Helium und einer noch geringeren Wasserstoffbeimengung. |
Der schmalere und tiefere Einbrand, die blankere und glattere Naht bieten vielfältige Kostenvorteile. So wird das Durchschweißen 3 mm dicker Bleche bei vergleichsweise hoher Schweißleistung sicher beherrscht, die Beizkosten können nahezu halbiert werden, ein Beschleifen ist auch bei Sichtnähten kaum noch erforderlich.
Für besondere Anwendungen im Chemieapparatebau und der Lebensmitteltechnik kommen in steigendem Maße weiterentwickelte Edelstahlqualitäten wie z. B. Duplex und Superduplex, Vollaustenit und Superaustenit zum Einsatz. Stickstoff ist hier teilweise ein Legierungselement, was oft beim Schutzgas die Zumischung von Stickstoff im Prozentbereich erfordert.
Das MAG-Schweißen wird bei mechanisierten Anwendungen zunehmend auch im Edelstahlbereich angewendet, bei Kehlnahtschweißungen auch von Hand. Zusätze von Aktivgas sowie von Wasserstoff und Helium verbessern das schlechtere Fließverhalten der Schweißschmelzen.
Nach wie vor ist das Schweißen unlegierter Stähle mit dem MAG-Verfahren die insgesamt wichtigste Anwendung des Schutzgasschweißens. Statt der früher üblichen "Schweißkohlensäure" werden heute argonreiche Mischgase mit einem Anteil von 18 % CO2 oder 8 % Sauerstoff eingesetzt. Daneben gibt es auch Ar-O2-CO2-Gemische. Ausgelöst durch den Einsatz umweltfreundlicher wasserlöslicher Lacke hat es hier eine bemerkenswerte Weiterentwicklung gegeben: Diese Lacke reagieren recht empfindlich auf Schweißspritzer und Schlacke-Inseln auf der Nahtoberseite. Als Konsequenz werden noch spritzer- und schlackeärmere Nähte als bisher beim Schweißen unlegierter Stähle gefordert. Gasgemische mit 4 % Sauerstoff oder 8 % Kohlendioxid sind als sogenannte Niederaktivgase mit halbiertem Aktivgasanteil hier im Vergleich zu den derzeitigen Gemischstandards eine interessante Alternative. Die Nähte sind erheblich schlackeärmer und auch die Spritzerbildung lässt sich wesentlich einfacher vermeiden oder begrenzen. Ein positiver Nebeneffekt ist dabei auch die Abnahme der Schweißrauchbildung, die unmittelbar mit der Verminderung der Schweißspritzer einhergeht.
Da mit den Niederaktivgasen auch eine sehr hohe Abschmelzleistung erzielbar ist, belegt dies gleichzeitig, dass eine gesteigerte Leistung nicht zu Lasten der Qualität am Arbeitsplatz gehen muss.
Das Vordringen verzinkter Bleche, ausgelöst durch den Automobilbau, stellt neue Anforderungen. Eine Alternative zum MAG-Schweißen ist das MSG-Schutzgaslöten mit Bronze-Drähten. Auch hier geht Trend weg vom reinen Argon hin zu Argon-Gemischen mit geringen Aktivgaszusätzen.
Für das Laserschweißen, ebenso wie für das klassische WIG-Verfahren, geht der Trend hin zur Kosteneinsparung mit Mehrstoffgemischen. Nach wie vor wird dabei auch die Werkstoffentwicklung ein Motor für wichtige Fortschritte bei den Schweißgasen bleiben. "Hybride" Automobilkarosserien mit Mischungen aus Stahl- und Aluminiumkomponenten erfordern neue Varianten der Schutzgasschweißverfahren. Genauso sind die Schutzgasentwickler bei der hybriden Verfahrenskombination von Laser- und Lichtbogenschweißen gefordert. Hier ist man schon über die Phase der Studien und Prototyp-Anwendungen hinaus. In der bislang weltweit größten Laser-Hybrid-Anwendung, im Schiffbau, wurde auch auf die Erfahrungen der Air Liquide-Anwendungstechnik zurückgegriffen.
Dabei ist es wichtig, in allen Fällen sämtliche Weiterentwicklungen der Schweißtechnik zu nutzen - also beispielsweise auch die der Schweißgeräte.
Inhalte von AIR LIQUIDE Deutschland GmbH