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Lebensmittelbetrug bekämpfen – wie unterstützen Auditoren?

Lebensmittelbetrug erweiTuev-Sued-Lebensmittelprofi3st sich als stetig wachsendes Übel, denn schon kleinste Margen versprechen aufgrund der Masse an umgesetzten Lebensmitteln große Gewinne: Konventionelle Ware wird als Bio-Produkt ausgezeichnet, Pferdefleisch zu Rindfleisch umdeklariert, und das Fischrestaurant ums Eck serviert Rotzunge, schreibt aber Seezunge auf die Speisekarte. Zwar ist auch eine Rotzunge auf dem Teller keine kulinarische Katastrophe, aber eben nicht der bestellte teure, sondern ein billigerer Fisch – und damit ein Betrugsfall. Auch die Politik und die Behörden beschäftigen sich intensiv mit dem Thema. Auf der Internationalen Arbeitstagung des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure in Berlin wurden kürzlich die aktuellen Herausforderungen diskutiert.

Die Betrugsszenarien

Professor Dr. Ulrich Nöhle von TU Braunschweig definierte dort in seinem Vortrag vier Lebensmittelbetrugsmuster

  • Produktbetrug mit oder ohne Bezug zur Lebensmittelsicherheit sowie
  • Prozessbetrug mit oder eben ohne Bezug zur Lebensmittelsicherheit.

Darunter lassen sich sämtliche Betrugsszenarien subsumieren.

Ein rein finanzieller Schaden entsteht, wenn etwa falsche regionale Versprechungen gemacht werden. Butter beispielsweise, die laut Verpackung aus einer bestimmten Region kommt, deren enthaltene Milch aber nicht dorther stammt und die auch nicht dort hergestellt wird.

Das wäre Produktbetrug ohne Bezug zur Lebensmittelsicherheit. Prozessbetrug ohne Bezug zur Lebensmittelsicherheit begeht, wer etwa Getränken undeklariert Wasser beimischt. Gesundheitsgefährdend wird es hingegen, wenn Methanol in alkoholischen Getränken (Prozessbetrug mit Bezug zur Lebensmittelsicherheit) vorkommt. Oder beim Milchpulverskandal in China, der ein besonders perfides Beispiel für Produktbetrug mit Bezug zur Lebensmittelsicherheit liefert: Dort wurde Melamin in Babynahrung gemischt. Warum? Die Anzahl der Stickstoffmoleküle gibt Aufschluss darüber, wie viele Aminosäuren im Milchpulver enthalten sind und damit schlussendlich über die Qualität. Melamin ist ein billiger Kunststoff, der einen sehr hohen Stickstoffanteil besitzt und damit ein hochwertiges, proteinhaltiges Produkt vortäuscht. Konsequenz: In China starben Kinder nach dem Verzehr von Milch aus entsprechend verunreinigtem Pulver. Hunderttausende erkrankten.

Aktueller Betrugsalarm: Die italienische Olivenernte ist 2015 wegen Schädlingsbefall relativ schwach ausgefallen. Entsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass als italienisch deklariertes Olivenöl derzeit tatsächlich aus Spanien oder China kommt. Kategorie: Produktbetrug ohne Bezug zur Lebensmittelsicherheit.

Probate Mittel gegen Lebensmittelbetrug

Natürlich kann Lebensmittelbetrug nicht nur den Endverbraucher, sondern auch Unternehmen betreffen, die Rohwaren einkaufen und weiterverarbeiten. Sie haben deshalb die Pflicht, sich – und damit auch den Kunden – so gut wie möglich zu schützen. Deshalb haben von der GFSI (Global Food Standard Initiative) anerkannte Standards für die Lebensmittelsicherheit wie IFS Food oder BRC Global Standard for Food Safety eigene Kapitel, die den Bereich Lebensmittelbetrug ins Visier nehmen. Grundsätzlich fordern sie den Betrieb und die genaue Beschreibung eines Schutzsystems. Die Standards regeln die konkreten Anforderungen.

GFSI anerkannte Standards erwarten bestimmte Inputparameter: Woher stammen Informationen für historische, aktuelle und zukünftige Bedrohungen innerhalb der Lieferkette? Mögliche Quellen sind etwa Handelsverbände, Regierungsquellen, private Förderzentren. Zudem helfen Internetrecherchen. Es ist wichtig, dass alle Schwachstellenbewertungen der eingesetzten Rohmaterialien erfasst werden. Der Einfachheit halber lassen sich Produkte zu Gruppen zusammenfassen. Mögliche Schwachstellen: Wie steht es um das Risiko der Verfälschung, des (teilweisen oder kompletten) Ersatzes von Rohmaterialien? Gibt es Hinweise für einen früheren Austausch oder eine Verfälschung von bestimmten Produkten? Machen wirtschaftliche Faktoren eine Manipulation möglicherweise besonders attraktiv? Wie ist der Zugang zu den Rohmaterialien in der Lieferkette? Sind die Routinetests präzise, und lassen sich Verfälschungen damit leicht identifizieren? Die Schwachstellenbewertung muss dabei fortdauernd überprüft werden. Falls ein erhöhtes Risiko besteht, haben Unternehmen die Aufgabe, Sicherheiten oder Testverfahren zu etablieren, um einen Betrug möglichst auszuschließen.

Konkrete Hinweise und Fragestellungen bei der Gefahrenanalyse sind: Kann ein Produkt, das ein Unternehmen kaufen möchte, manipuliert sein? Aus welcher Region kommt das Produkt? Ist es realistisch, beispielsweise Öl aus nicht genmanipuliertem Mais aus China zum Preis x zu kaufen? Analysen-Zertifikate können zwar Aufschluss geben – deren Wahrheitsgehalt ist jedoch oft genug gering. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte deshalb eigene Analysen bei einem vertrauenswürdigen Institut in Auftrag geben. Zudem empfiehlt es sich, dass Unternehmen stichpunktartig genetische Tests durchführen, um beispielsweise zu überprüfen, ob das eingekaufte Rindfleisch tatsächlich korrekt deklariert oder ob etwa Schweinefleisch untergemischt worden ist.

Ein einfacher Tipp aus der Praxis: Unternehmen sollten einen Preisrahmen festsetzen, zu dem sie ein Produkt einkaufen – etwa Thunfisch, einer der Top-Fälschungskandidaten. Wird diese Preisspanne deutlich unterschritten, steigt das Risiko, einem Betrüger aufzusitzen, massiv an. Aber auch bei Käufen, die innerhalb der definierten Spanne liegen, sind Überwachungsmaßnahmen zwingend nötig.

Wie prüft der Auditor?

Grundsätzlich müssen Auditoren ein enormes Wissen über die Produkte haben, um einordnen zu können, wo Manipulation wahrscheinlich sind. Deshalb erhalten sie nach bestandenen Prüfungen spezifische Zulassungen für bestimmte Produktgruppen und Technologien – etwa Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Süßwaren oder Backwaren.

Wie kann ein Auditor nun Unternehmen dabei unterstützen, durch zugekaufte Produkte nicht in einen Lebensmittelskandal zu rutschen? Bei der Zertifizierungen nach IFS oder BRC werden im Audit nicht nur die Prozesse des Lebensmittelverarbeiters genauestens unter die Lupe genommen, sondern auch deren Einhaltung. Der Auditor stellt sich folgende Fragen: Welche Produkte könnten ganz einfach durch minderwertigere Inhaltsstoffe ersetzt werden? Wo könnten Qualitätsmängel bestehen? Wie muss eine Risikobewertung stattfinden? Wie häufig wird sie vorgenommen? Welche Teilnehmer der Kette werden überprüft? Welche regionalen Versprechungen sind vielleicht nicht erfüllt?

Wird ein bestimmtes Risiko festgestellt, sind geeignete Maßnahmen nötig, um es kontinuierlich zu überwachen. Die Maßnahmen müssen genau definiert, eingehalten und regelmäßig auf Wirksamkeit überprüft werden.

Der Auditor untersucht auch Warenströme und Massenabgleichsysteme: Wie viele Produkte hat ein Unternehmen erhalten, wie viel Rohware wurde daraus produziert? Ergibt das eine schlüssige Produktionsmenge? Bei Lieferanten lässt sich die zur Verfügung stehende Anbaufläche überprüfen. Das zeigt, ob eine bestimmte Menge überhaupt geliefert werden kann.

Jeden Betrüger zu ertappen, ist zwar nicht möglich. Nichtsdestotrotz unterstützen die BRC-, IFS- und Maßnahmen anderer Standards wie FSSC, Manipulationen aufzudecken, und schränken die Möglichkeiten dazu massiv ein.

Ausblick

Die Standardgeber IFS, BRC und auch FSSC 22000 haben das Thema aufgegriffen und das Thema Lebensmittelbetrugserkennung groß auf die Fahnen geschrieben sowie in ihre Standards aufgenommen. Die GFSI macht die Vorgaben für die Standards, damit sie weltweit anerkannt sind. Der Lebensmittelhandel fordert von den Lieferanten eine von der GSFI anerkannte Zertifizierung. Derzeit arbeitet die GSFI an einer neuen Revision. In diesem Rahmen werden in Zukunft wohl zunehmend auch unangekündigte Audits vorgeschrieben. Dabei geht es zwar nicht ausschließlich um die Authentizität der Produkte, sondern natürlich auch um Hygiene und Prozesse. Trotzdem: Solche unangekündigten Kontrollen helfen dabei, die Rohwaren zu überprüfen, und reduzieren den Spielraum für kriminelle Machenschaften noch weiter. Im Rahmen der Standards bekommt auch das Thema Rückverfolgbarkeit eine immer wichtigere Rolle. Das spielt auch den Unternehmen in die Karten. Denn so gut wie alle Betriebe sind ohnehin vor allem daran interessiert, gute Qualität zum fairen Preis zu liefern.

TÜV SÜD Experte: Heinrich Poppenberger, TÜV SÜD Management Service GmbH

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