die Parabelrutsche auf dem Uni-Campus Garching
Schulstoff soll anschaulicher werden. Lernen muss aufs Leben vorbereiten. Trockene Theorien sollen praxisnäher präsentiert werden. Bildung braucht mehr Kreativität. Über diese Forderungen herrscht grundsätzliche Einigkeit bei Lehrern, Eltern und Schülern, aber auch bei Professoren, Universitätsmitarbeitern und Studierenden. Wie man vermeintlich trockenen Stoff anschaulich vermittelt und eine mathematische Formel erfolgreich in ein Kunstobjekt mit Kultcharakter umsetzt, macht die Technische Universität München vor.
Der Campus Garching im Münchner Norden ist eines der bedeutendsten deutschen Zentren für Wissenschaft, Forschung und Lehre. Wo sich tagtäglich mehr als 25.000 kluge mathematische Köpfe tummeln, sollte auch ein passendes Kunstobjekt nicht fehlen. Die Ausschreibung hierfür erfolgte an acht ausgewählte junge Künstler, von denen das Team Brunner-Ritz aus München den Zuschlag bekam: Ihre doppelrohrige Parabelrutsche erweckt theoretische Mathematik zum Leben und macht sie nicht nur anschaulich, sondern buchstäblich am eigenen Leib erlebbar.
Die Erfolgsformel für praktische Anschaulichkeit
Die Parabelrutsche von Brunner-Ritz, die seit 2002 die Fakultät für Mathematik und Informatik ziert, folgt der mathematischen Formel z = y = h x²/d². Sie bezeichnet eine Parabel im Raum mit den Koordinaten x, y, z. h ist die Höhe vom Erdgeschoss bis zum Einstieg im dritten Stock, 2d die Entfernung der beiden Einstiegspunkte der Parabeläste, die x-y-Ebene entspricht der Fußgängerebene, die z-Achse zeigt vertikal nach oben und der Ursprung liegt im Parabelscheitel. Das klingt für Laien äußerst kompliziert – und hat auch für Mathematiker auf den ersten Blick rein gar nichts mit guter Laune oder Adrenalinkicks zu tun. Umgesetzt als Doppelrutsche, die vom dritten Stock des TUM-Campus Garching bis ins Erdgeschoss reicht und damit Studenten wie Gäste in herrlicher Windeseile 13 Höhenmeter überwinden lässt, macht die Formel jedoch gleich mehr her – und natürlich mehr Spaß.
Knifflige Aufgabe für TÜV SÜD
Dass das außergewöhnliche Rutschvergnügen in Garching auch rundum sicher ist, hatten die Experten von TÜV SÜD zu prüfen. Schließlich sollte sich die Technische Universität München hier keinerlei Ausrutscher leisten. Spielplatzrutschen in allen Variationen stehen auf unserem täglichen Programm – doch das Garchinger Exemplar war mehr als eine Nummer größer und auch hinsichtlich ihrer Form und weiterer Eigenschaften deutlich anspruchsvoller. Damit die Rutsche aus dem dritten Stock alle Auflagen erfüllt, mussten zum Beispiel gekrümmte Stahlrohre von 1 m Durchmesser und 12 mm Stärke zum Einsatz kommen.
Die Rutsche wurde auf mögliche Gefahren wie Finger- oder Fußfangstellen unter die Lupe genommen und es wurde sichergestellt, dass alle Befestigungsschrauben und -muttern zuverlässig ihren Dienst tun. „Das schwierigste war, in den Röhren sehr langsam nach unten zu rutschen. Da man dabei auf einem Teppich sitzt, geht es ungewöhnlich schnell abwärts“, so die erfahrene Prüferin. „Weil man vom dritten Stock rutscht, kann durchaus ein kleiner Anflug von Höhenangst aufkommen“. Eingeweiht wurde das neue Herzstück der Fakultät nach erfolgreicher Prüfung übrigens von keinen geringeren als dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und dem TU-Präsidenten Wolfgang A. Herrmann, die die rasante Talfahrt sichtlich genossen.